Wissenschaftliche Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Misshandlung im ehemaligen Kinderheim St. Josef in Ramsau der Ordensgemeinschaft von Franziskanerinnen von Au am Inn

Angestoßen durch die Meldungen von betroffenen, ehemaligen Heimbewohner*innen hat sich die Ordensgemeinschaft der Franziskanerinnen von Au am Inn zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Misshandlung im ehemaligen Kinderheim in Ramsau entschieden. Als unabhängiges Institut übernehmen wir, Dissens – Institut für Bildung und Forschung, den wissenschaftlichen Teil der Aufarbeitung. 

Im Fokus der Studie stehen die Erfahrungen und Perspektiven der Betroffenen. Wir untersuchen, was einzelnen Personen angetan wurde, wie diese Taten von den Betroffenen erlebt und ggf. bewältigt wurden, welche Folgen die erlittene Gewalt für die Betroffenen hat(te) und welche Initiativen zur Aufdeckung und Hilfesuche es gegeben hat. Wir analysieren zudem die institutionellen Bedingungen und Strukturen, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche begünstigten und ermöglichten, ebenso wie das kulturelle Selbstverständnis der Ordensgemeinschaft. Nicht zuletzt nehmen wir die Kontextbedingungen außerhalb der Institution in den Blick, die sexualisierte Grenzverletzungen ideologisch unterfüttern, wie etwa Bezugnahmen zum jeweils herrschenden Sexualitätsverständnis und zur Sexualmoral in der katholischen Kirche und der Heimerziehung in der untersuchten historischen Phase (1965-1975) sowie deren Veränderungen.

Eine besonderes Augenmerk legen wir in der Studie auf den Kontext des katholischen Frauenordens und den Umstand, dass die Gewalt von Frauen verübt wurde.U.a. interessiert uns, inwiefern sich das Geschlecht möglicherweise strukturierend auf den Umgang der Institution und der Betroffenen mit den Vorfällen auswirkte und die Aufdeckung der Taten ggf. erschwerte. 

Zentrales Ziel der wissenschaftlichen Aufarbeitung ist die Dokumentation und Anerkennung des Unrechts und Leids, das Betroffenen in der Verantwortung der Ordensgemeinschaft angetan wurde. 

Das methodische Vorgehen besteht in der Durchführung problemzentrierter, leitfadengestützter Interviews. Im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen und Perspektiven von Betroffenen. Daneben werden auch nicht-betroffene Zeitzeug*innen befragt, die zur Beantwortung der Forschungsfragen beitragen können, ebenso wie Vertreter*innen der Ordensgemeinschaft und Expert*innen interviewt werden. Als weitere Informationsquelle werden Akten, Dokumente und Medienberichte ausgewertet. 

Das Projekt wird von Dr. Johanna Hess und Bernard Könnecke durchgeführt. 

Kontakt: aufarbeitung-kinderheim-ramsau@dissens.de

Das Gender-Sternchen (*) dient als Verweis auf den Konstruktionscharakter von "Geschlecht". Wenn das Sternchen hinter einer Personenbezeichnung (z.B. Jungen*) steht verdeutlicht es, dass hier explizit alle Menschen gemeint sind, die sich mit dieser Bezeichnung identifizieren, durch sie definiert werden und/oder sich sichtbar gemacht sehen. Dadurch wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass sich unter der Bezeichnung verschiedene, vielfältige Positionierungen sammeln können. Gleichzeitig dient das Sternchen als Platzhalter um Raum für verschiedene geschlechtliche (und sexuelle) Verortungen zu lassen.