Wissenschaftliche Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Misshandlung im Verantwortungsbereich der Ordensgemeinschaft der Benediktiner in Kornelimünster

Angestoßen durch die mutigen Meldungen von Betroffenen hat sich die Ordensgemeinschaft der Benediktiner in Kornelimünster zur Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt und Misshandlung in ihrem Verantwortungsbereich entschieden. Teil der Aufarbeitung ist die wissenschaftliche Untersuchung, die von uns, Dissens – Institut für Bildung und Forschung e. V., als unabhängigem Institut durchgeführt wird. 

Im Fokus der Studie stehen die Erfahrungen und Perspektiven der Betroffenen. Ein Schwerpunkt der Studie liegt dabei auf der von 1948 bis 1988 von der Ordensgemeinschaft in Kornelimünster betriebenen Realschule St. Benedikt mit angeschlossenem Internat. Um dem Anspruch gerecht zu werden, sowohl das geschehene Leid zu dokumentieren, als auch die Bedingungen zu skizzieren, die dazu beitrugen, dass es zu sexualisierter Gewalt und Misshandlung im Verantwortungsbereich der Ordensgemeinschaft kam, wird ein multiperspektivischer Forschungsansatz gewählt. Wir untersuchen, was einzelnen Personen angetan wurde, wie diese Taten von den Betroffenen erlebt und ggf. bewältigt wurden, welche Folgen die erlittene Gewalt für die Betroffenen hat(te) sowie welche Initiativen zur Aufdeckung und Hilfesuche es gegeben hat. Wir analysieren zudem die institutionellen Bedingungen und Strukturen, die sexualisierte Gewalt und Misshandlung ermöglichten, ebenso wie das kulturelle und weltanschauliche Selbstverständnis der Ordensgemeinschaft und mögliche Verbindungslinien zur Gewalt. Dabei wird sich die Untersuchung auch auf die Frage des weltanschaulichen Hintergrunds von ausgeübter sexualisierter Gewalt und Misshandlung richten, beispielsweise ob und inwiefern religiöse Argumentationen genutzt wurden, um sexualisierte Gewalt zu legitimieren bzw. zu rechtfertigen. 

Das methodische Vorgehen besteht in der Durchführung teilnarrativer, leitfadengestützter Interviews. Im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen und Perspektiven von Betroffenen. Daneben werden auch nicht-betroffene ehemalige Schüler*innen interviewt, die zur Beantwortung der Forschungsfragen beitragen können, ebenso wie Vertreter*innen der Ordensgemeinschaft und ggf. weitere Zeitzeug*innen und Expert*innen. Als weitere Informationsquelle werden Akten, Dokumente und Medienberichte ausgewertet. 

Ziel ist die Generierung von Wissen über Art, Ausmaß und Häufigkeit sexualisierter Gewalt und Misshandlung, über gewaltbegünstigende Strukturen und Haltungen und institutionelle Risikokonstellationen der Ordensgemeinschaft, nicht zuletzt um diese – sofern noch nicht geschehen – dauerhaft zu verändern.

Das Projekt wird von Malte Täubrich und Tabea Koepp durchgeführt.

Kontakt: 

Tabea Koepp: tabea.koepp@dissens.de

Malte Täubrich: malte.taeubrich@dissens.de

 

Das Gender-Sternchen (*) dient als Verweis auf den Konstruktionscharakter von "Geschlecht". Wenn das Sternchen hinter einer Personenbezeichnung (z.B. Jungen*) steht verdeutlicht es, dass hier explizit alle Menschen gemeint sind, die sich mit dieser Bezeichnung identifizieren, durch sie definiert werden und/oder sich sichtbar gemacht sehen. Dadurch wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass sich unter der Bezeichnung verschiedene, vielfältige Positionierungen sammeln können. Gleichzeitig dient das Sternchen als Platzhalter um Raum für verschiedene geschlechtliche (und sexuelle) Verortungen zu lassen.